100 Tage Berliner Senat
Von Stefan Natke, Vorsitzender der DKP Berlin

Quelle: Berliner Anstoss 02/2022

Mehr als 100 Tage sind vergangen, seit der gar nicht so neue Senat im Amt ist. Hat sich für irgendwen irgendetwas verändert? Die Mieten kennen nur eine Richtung, der ausgemachte Wahnsinn A 100 soll weitergebaut werden und sich durch Wohngebiete fräsen, Krankenhäuser werden geschlossen, die Schulprivatisierung schreitet voran.
Der Berliner Senat, mal wieder »progressiv« zusammengesetzt aus SPD, Grünen und Linkspartei, hat gar nicht erst den Versuch unternommen, auch nur die Bereitschaft zu simulieren, er würde im Interesse der Lohnabhängigen dieser Stadt regieren wollen. Unter der Fuchtel der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey betreibt die Landesregierung jedenfalls eine Politik, vor der sich Wohnungsspekulanten nicht fürchten müssen. Bezahlbare Mietwohnungen in Berlin gibt es für die mit knappen Löhnen, und das sind die meisten in dieser Stadt, immer weniger. Zwangsräumungen finden weiter statt, die Verdrängung aus den Kiezen ist kaum beachteter Alltag.

Experten beerdigen Volksentscheid

Quelle: Berliner Anstoss 02/2022

Das von den drei Senatsparteien ersonnene Vehikel für die Beerdigung des Volksentscheidergebnisses vom 26. September vergangenen Jahres ist jene Expertenkommission, die der Landesregierung eine Empfehlung über »Möglichkeiten, Wege und Voraussetzungen« der Vergesellschaftung der Bestände großer profitorientierter Wohnungsunternehmen unterbreiten soll. Die SPD macht sich dabei nicht einmal die Mühe, so zu tun, als suche sie nach diesen »Möglichkeiten« – sie hat drei CDU-nahe Juristen in die Kommission geschickt. Die spannende Frage war, ob sich die Initiative »Deutsche Wohnen & Co. Enteignen« an dieser Kommission beteiligt. Nach außen hin hatten deren Sprecher das bis zuletzt offengelassen.

Wie in Berlin Geflüchtete aus der Ukraine bevorzugt und andere aus ihren Unterkünften verdrängt werden
Von Carmela Negrete

Quelle: Berliner Anstoss 02/2022

Von dort sollten die Flüchtlinge in ganz Deutschland verteilt werden. Doch offenbar musste die zuständige Behörde Familien aus ihren Wohnungen zerren, die teilweise dort jahrelang gelebt hatten. »Die Menschen gerieten in Panik, mussten ihre Unterkunft binnen kürzester Zeit verlassen«, sagt eine Mitarbeiterin, die ungenannt bleiben möchte, im Gespräch mit dieser Zeitung. »Wir mussten zwei Krankenwagen rufen, weil mehrere Menschen Panikattacken erlitten«. Auch diese Menschen sind »Kriegsflüchtlinge, auch sie sind traumatisiert und mussten nun ertragen, dass sie ihre Wohnungen und das bisschen Sicherheit, das sie hatten, von heute auf morgen verloren«. Die Mitarbeiterin sagt, das habe alle Altersklassen betroffen, Alte, Neugeborene, Schulkinder, die aus ihrem gewohnten Umfeld herausgerissen wurden. »Alle mussten ihren Habseligkeiten in nur wenigen Stunden packen und erhielten dabei nicht mal Hilfe vom Amt«. Die Mitarbeiter seien bis spät in der Nacht bei den Bewohnern geblieben, hätten ihnen geholfen, eine Umzugsmöglichkeit zu finden.

In Berlin konzentriert sich das Elend in bestimmten Vierteln

Von Jakob Renard

Quelle: Berliner Anstoss 02/2022

Wer im First-Class-Hotel Estrel im Be zirk Neukölln absteigt, etwa zum Besuch der Münzmesse »World Money Fair«, kann dort, aber höchstwahrscheinlich interessiert ihn das gar nicht, von einer der höheren Etagen, auf eine der ärmsten Gegenden Berlins herabblicken. In direkter Nachbarschaft zum Nobelhotel erstreckt sich die Weiße Siedlung, einige hundert Meter weiter südlich die High-Deck-Siedlung. In keinem anderen Kiez der Stadt liegt die registrierte Erwerbslosigkeit so hoch, nirgendwo sonst innerhalb Berlins ist die Kinderarmut so gravierend wie in diesen sichtbar abgehängten und vergessenen Vierteln.
Die offiziell gültige Statistik führt Kinder dann als arm, wenn sie in Familien leben, die sozialstaatliche Leistungen, also »Hartz IV« beziehen.

Von Jakob Renard, Quelle: Berliner Anstoss 01/2022

Was der Turmbau zu Berlin mit Verdrängung und steigenden Mieten zu tun hat

Sie finden keine Wohnung in Berlin? Dann werden Sie doch einfach Monarch! Ein Monarch jedenfalls lässt derzeit am Alexanderplatz ein neues Wohnhochhaus errichten, 150 Meter hoch, soll der Bau bei Fertigstellung im kommenden Jahr 377 Wohnungen beherbergen. Der durchschnittliche Kaufpreis der jetzt schon feilgebotenen Liegenschaften: schlappe 15.000 Euro pro Quadratmeter. Monarch, so heißt die russische Unternehmensgruppe, auf deren Geheiß der »Alexander Tower« in die Höhe wächst. Er soll nicht der einzige bleiben. Für zwei weitere Türme am Alex haben die Bauarbeiten ebenfalls bereits begonnen, der Bau eines vierten könnte – könnte – bald erfolgen, und soll nicht der letzte bleiben. Einmal abgesehen von der Frage, was ein derart aggressiver Eingriff in das nach Maßgaben des sozialistischen Städtebaus gestaltete Architekturensemble am Alexanderplatz ästhetisch über die Zurichtung einer Gesellschaft aussagt, hat der Turmbau zu Berlin auch ganz reale ökonomische Folgen, die sich für den allergrößten Teil der Bewohnerinnen und Bewohner dieser Stadt als ziemlich unerquicklich herausstellen dürften.

Am Landesverband der PDL wird ein Berliner Senat mit SPD und Grünen nicht scheitern.

von Arnold Schölzel in UZ vom 22.10.2021

Wohnungsbau in der DDR

Giffeys Horrorvorstellung: Sozialer Wohnungsbau für alle wie hier 1987 in der DDR. (Foto: Bundesarchiv, Bild 183-1987-0123-016 / Wolfried Pätzold /CC-BY-SA 3.0)

Als Chuzpe wird scherzhaft definiert: Ein Elternmörder plädiert vor Gericht auf mildernde Umstände, weil er ja Vollwaise sei. Die Führung der Berliner „Linken“ hat zwar niemanden umgebracht, über Chuzpe, also Anmaßung und Frechheit, verfügt sie allerdings in einem Maß, das über dem Durchschnitt für politische Machenschaften liegt. Ihre bisher bedeutendste Tat war die Teilnahme an der Verschleuderung von mehr als 100.000 städtischen Wohnungen Anfang der 2000er Jahre.

1.034.709 Berlinerinnen und Berliner haben für die Enteignung von Deutsche Wohnen & Co. gestimmt. Eine deutliche Mehrheit von über 56%. Die politischen Folgen werden sich auf die Berliner_innen auswirken.

Nach erfolgreichem Berliner Volksentscheid geht das Rumeiern weiter
von Christian Sprenger in UZ vom 08.10.2021

Nachdem der Beschlusstext der Initiative „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“ am 26. September mit über 56 Prozent „Ja“-Stimmen (nur 39 Prozent stimmten dagegen) eine klare Mehrheit bei den Berliner Wählern erzielte, war die vergangene Woche von den üblichen Stellungnahmen, Abwägungen, Distanzierungen und Mutmaßungen geprägt. Klar feiert sich die Initiative selbst und wird nicht müde zu betonen, dass es sich bei dem Sieg um einen klaren Wählerauftrag für die Enteignung der größten Immobilienkonzerne handelt – gegen Entschädigung.