Aktueller Fall in Berlin zeigt exemplarisch Vorgehen skrupelloser Immobilienbesitzer
 
Von Kristian Stemmler in der JW vom 26.10.2019

Ernst Brenning ist das, was gemeinhin als »rechtschaffener Bürger« bezeichnet wird. Rechtsanwalt in Berlin, Justiziar des CDU-Landesverbandes, aktiv in der evangelischen Kirche, »alter Herr« zweier Burschenschaften. Wie sich Brenning, seine Frau und seine Kinder, denen etwa 30 Häuser in der Hauptstadt gehören sollen, als Vermieter verhalten, scheint allerdings weder rechtschaffen noch besonders christlich zu sein.

Am heutigen Sonnabend will die Arbeitsgruppe »Eigenbedarf kennt keine Kündigung« (E3K) mit einer Musikkundgebung vor dem Haus Reichenberger Straße 73 in Kreuzberg, das Brenning gehört, auf dessen Praktiken und das Problem der Eigenbedarfskündigungen aufmerksam machen. Anlass für die Demo, die vom berlinweiten »Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn« unterstützt wird, ist ein am Mittwoch stattfindender Prozess gegen eine Mietpartei des Hauses. Im Juli 2018 hat Brenning den beiden Mietern, die seit 34 Jahren in dem Block leben, wegen »Eigenbedarfs« gekündigt, vor dem Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg wird die Räumungsklage verhandelt. Auch dort soll es ab 9 Uhr eine Demonstration geben.

Brenning scheint eine große Verwandtschaft zu haben, denn seit 2010 hat es im Gebäude Reichenberger Straße 73 mit dem aktuellen Fall bereits sechs Eigenbedarfskündigungen gegeben. Nach Angaben von Mieteraktivisten gegenüber jW haben aber in keiner der freigewordenen Wohnungen Angehörige der Brennings dauerhaft gewohnt. »Die Kündigung wegen Eigenbedarfs hat Methode«, sagte Erich von E3K. Ihm geht es darum, über den Einzelfall hinauszuweisen. Immer mehr Betroffene litten psychisch und physisch unter den sich monatelang hinziehenden Verfahren, reagierten darauf etwa mit Bluthochdruck oder Depressionen. Der Aktivist beklagt, dass der vom Berliner Senat beschlossene »Mietendeckel« zum Thema Eigenbedarf nichts regele: »Das bleibt ein Riesenscheunentor, durch das die Vermieter durch können.«

Eine indirekte Bestätigung dieser Aussage kam vor kurzem ausgerechnet von Kai Warnecke, Präsident des Verbandes Haus & Grund Deutschland. Im TV-Sender RBB sagte er am 20. Oktober, er rechne damit, dass nach der Einführung des Mietendeckels viele Wohnungen in Berlin verkauft und von den neuen Eigentümern selbst genutzt würden. Wenn sich das bewahrheitet, könnte eine Welle von Eigenbedarfskündigungen auf Berlin zukommen. Diese hätten sich zum »Hauptvehikel der Verdrängung« auf dem Wohnungsmarkt entwickelt, schrieb die Zeitschrift MieterEcho des Vereins Berliner Mietergemeinschaft im September. Das liege nicht zuletzt an der vermieterfreundlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs.

Der Spiegel berichtete im Mai, dass Mietervereine in Metropolen wie Berlin, Hamburg, Köln, Frankfurt oder Leipzig praktisch unisono von einer teilweise starken Zunahme dieser Art von Kündigungen berichten. Für die Begründung eines Eigenbedarfs reiche oft schon aus, wenn entfernte Verwandte oder ein Au-pair-Mädchen in die Wohnung einziehen sollten. Selbst gegen kranke oder körperlich behinderte Mieter seien Räumungsklagen erfolgreich. Der Deutsche Mieterbund gehe von rund 80.000 Eigenbedarfskündigungen im Jahr aus. Wie im Fall Reichenberger Straße 73 dürfte der Eigenbedarf oft nur vorgeschoben sein, um durch den Verkauf einer Wohnung Rendite zu machen. Für Erich bleibt die Frage: »Wer überprüft denn später, ob wirklich ein Verwandter eingezogen ist?«