Ein Energiepreisstopp ist dringend notwendig, um der Mehrheit der Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein zu sichern
Von Tine Büchner, Quelle: Berliner Anstoss 01/2022
Viele fragen sich in diesen Tagen, ob sie lieber heizen oder mehr Pullover anziehen sollen, und wie hoch im Sommer wohl die Nachforderungen der Energieversorger ausfallen werden. Denn die Kosten für Heizöl und Gas, aber auch der Strompreis liegen deutlich höher als in den vergangenen Jahren. Der Heizölpreis hat sich beispielsweise seit 2020 mehr als verdoppelt.
Haushalte mit geringen Einkommen (unterhalb von 1.300 Nettoeinkommen monatlich), bei denen der Anteil der Energiekosten im Jahr 2020 schon durchschnittlich mehr als sieben Prozent betrug, sind besonders von den Preiserhöhungen betroffen. Neben ebenso steigenden Mietkosten und einer kaum gebremsten Inflation bleibt da für Mini-Jobber, ALG II-Empfänger und Aufstocker kaum finanzieller Spielraum. Überflüssig zu erwähnen, dass die realen Einkommen vieler Geringverdienender in den vergangenen zwei Jahren Pandemie nicht gestiegen sind. Dabei ist die private Energieversorgung ein Grundbedürfnis. Kein Mensch sollte zu Hause frieren müssen, weil er seine Heizkosten nicht begleichen kann.
Die Gründe für die Explosion der Preise sind vielfältig und teilweise miteinander verknüpft. Nach zwei Jahren Corona-Pandemie gekoppelt mit einer Wirtschaftskrise, fährt die Industrie in vielen Teilen der Welt die Produktion wieder hoch, dadurch steigt die Nachfrage nach Strom und Gas. Im Rahmen der kapitalistischen Produktionsweise heißt das: es steigt auch der Preis. Vor allem dann, wenn das Angebot nicht steigt. Die politisch gewollte Verzögerung bei der Inbetriebnahme der fertiggestellten Gaspipeline Nord Stream 2 seitens der deutschen Behörden führt dazu, dass europäische Gaskonzerne, die auf die höhere Einfuhr von Gas aus Russland spekuliert hatten, jetzt teures Gas einkaufen müssen, um den Bedarf zu decken. Geopolitische Interessen werden also auf dem Rücken der Verbraucher ausgetragen. Durch die gestiegenen Gaspreise erhöht sich zudem der Spotmarktpreis an der Strombörse, da in Zeiten von wenig Wind oder Solarstrom unter anderem Gaskraftwerke den Strom liefern.
Gleichzeitig spielen klimapolitische Entscheidungen eine Rolle, da Gas weniger CO2 bei der Verbrennung freisetzt als Kohle. Kommt hinzu, dass der CO2-Ausstoß besteuert wird, seit Januar 2022 mit 30 Euro pro Tonne. Dies soll Endverbraucher dazu zwingen, sich für eine klimafreundliche Energieversorgung zu entscheiden. Allerdings hat ein Mieter keinen Einfluss darauf, welche Heizungsanlage im Keller des Mietshauses steht. Die Kosten muss er trotzdem tragen, nachdem jahrzehntelang die Energiekonzerne Kohle verheizt, die Umwelt damit verpestet und sich daran eine goldene Nase verdient haben. Zuletzt kommen neben den Abgaben für CO2, den die Energieversorger an ihre Kunden weitergeben, auch noch die stetig steigenden Netzentgelte an die Übertragungsnetzbetreiber hinzu.
Satte Gewinne
In den letzten Jahren sind etliche Stromlieferanten aus dem Boden geschossen, die sich gegenseitig mit günstigen Preisen unterboten haben. In diesem Winter haben viele ihre Versorgung eingestellt und Verträge mit Kunden gekündigt. So erhielt Jutta aus Berlin von ihrem Stromversorger Grünwelt pünktlich zum Weihnachtsfest ein Kündigungsschreiben. Damit fiel sie automatisch für drei Monate in die Ersatzversorgung von Vattenfall (Berliner Grundversorger). Dieser Tarif ist 30 Prozent teurer als ihr bisheriger. In diesem Vierteljahr besteht die Möglichkeit, sich um einen anderen Tarif oder einen anderen Anbieter zu bemühen, so sie denn noch einen anderen findet. Denn davon gibt es inzwischen deutlich weniger als im vergangenen Jahr. So wie Jutta ging es deutschlandweit mehr als einer Million Kunden im Strom und Gasbereich. Vattenfall simuliert Hilfsbereitschaft und hat eigens eine helfende Webseite geschaltet: »Ihr Stromversorger kann nicht mehr liefern?« Vattenfall hilft. ww.vattenfall.de/vattenfall-hilft.
Die DKP fordert einen gesetzlich zu erlassenden sofortigen Energiepreisstopp für private Haushalte und kleine Unternehmen sowie Soforthilfen für arme Familien (siehe rechte Spalte). Dabei sieht das von der Bundesregierung vorgesehene Heizkostenzuschussgesetz lediglich eine allernotwendigste Unterstützung für die Bedürftigsten vor. Allein Mieter mit Anspruch auf Wohngeld sollen einmalig 135 Euro bekommen, Zwei-Personen-Haushalte 175 Euro, für jede weitere Person pro Haushalt soll es weitere 35 Euro geben. Für Studierende und Azubis mit Ausbildungsförderungen sind pauschal 115 Euro pro Person vorgesehen. Ob das aber ausreicht, um im Sommer, wenn die Heizkostenabrechnung kommt, das Loch in der Haushaltskasse zu stopfen, bleibt ungewiss. Was hingegen gewiss ist: Der Staat garantiert den Energiekonzernen fortlaufende Gewinne.
Und die sprudeln ausweislich der Geschäftsberichte von Vattenfall oder Eon reichlich. Bei der Vorstellung der Geschäftszahlen für das Jahr 2020 erklärte Johannes Teyssen, damals Vorstandsvorsitzender von Eon: »Das Jahr 2020 hat viele Geschäftsmodelle durch die Pandemie und den damit verbundenen Lockdown auf eine harte Probe gestellt. Eon hingegen hat das Geschäftsjahr ohne wesentliche Auswirkungen, weder durch die COVID-19-Pandemie, noch durch den historisch warmen Winter, erfolgreich abschließen können. Eon hat in der größten wirtschaftlichen Krise der letzten Jahrzehnte eindrucksvoll gezeigt, wie stark und widerstandsfähig sie ist. Wir liefern sichere und wachsende Erträge und Dividenden«.
Vattenfall wiederum verbucht für das Geschäftsjahr 2021 ein Umsatzwachstum von 13 Prozent. Das schwedische Unternehmen strich dabei einen Gewinn von 48 Milliarden schwedischen Kronen (rund 4,6 Milliarden Euro ein). Noch im Vorjahr hatte er bei rund 7,7 Milliarden Kronen gelegen. Ein Grund für diese Milliardengewinne trotz Coronakrise: Die Entschädigungssumme der Bundesregierung als Ausgleich für den Atomausstieg und der Rückverkauf des Berliner Stromnetzes an die Stadt Berlin. Nachdem der Volksentscheid über die Rekommunalisierung der Berliner Energieversorgung im Jahr 2013 noch an der Mindestbeteiligung von 25 Prozent der Wahlberechtigten gescheitert war, gehört das Berliner Stromnetz seit Mitte 2021 wieder dem Land Berlin, das 100 Prozent der Geschäftsanteile an der Stromnetz Berlin GmbH von Vattenfall für mehr als zwei Milliarden Euro erworben hat. Ob die Berlinerinnen und Berliner davon einen Vorteil haben werden, muss sich noch zeigen. Die Potentiale einer öffentlichen statt privatwirtschaftlichen Stromversorgung liegen jedenfalls auf der Hand.
Kraftwerke enteignen
Auf dem Wege einer ungehemmten Marktentwicklung wird es mit Sicherheit keine Senkung der Preise von privaten Anbietern geben, die letztlich nur ein Ziel verfolgen: größtmögliche Profite generieren. Ein Energiepreisstopp ist allerdings dringend notwendig, um der Mehrheit der Bevölkerung eine Versorgung und ein menschenwürdiges Dasein zu sichern.
Die DKP fordert daher ein Ende der Subventionierung von Energiekonzernen (auch mittels Steuersenkung). Deren Gewinne müssen dauerhaft zum Zwecke des Allgemeinwohls eingesetzt werden, ihre Kraftwerke enteignet werden.