Pünktlich mit dem (hoffentlich) bald eintreffenden Frühling in unserer Stadt begehen wir am 8. März den Internationale Frauentag.
Quelle: Berliner Anstoss 01/2022
Eine sehr gute Zeit um an eine Frau zu erinnern, die schon vor über 120 Jahren sehr konsequent und sehr kompromisslos für Frauenrechte eintrat: Alexandra Kollontai.
Geboren wurde Alexandra Kollontai am 19. März 1872 im (noch) zaristischen Russland als Tochter eines russischen Generals und einer finnischen Mutter in St. Petersburg. Schon als Gymnasiastin schloss sie sich der sozialistischen Jugendbewegung in ihrer Heimatstadt an.
Im Jahr 1893 heiratete sie gegen den erbitterten Widerstand ihrer Eltern den Studenten Wladimir Kollontai und bekam einen Sohn. Im Jahr 1898 verließ sie Ihre Familie und immatrikulierte an der Universität Zürich für die Fächer Sozial- und Wirtschaftswissenschaften. „Ich wollte frei sein – wirklich frei“ kommentierte sie den für eine Frau im 19. Jahrhundert ungeheuerlichen Schritt.
Auch in der Schweiz engagierte sie sich für eine sozialistische Weltbewegung. In ihren Schriften beschäftigte sie sich vor allem für die Lage der Frauen und forderte die längst überfällige Gleichberechtigung der Geschlechter. Sie legte sich mit ihren Veröffentlichungen mit der besonders konservativen Schweizer Regierung an – ihr drohte Gefängnis und so ging sie 1908 ins Exil nach Deutschland und später nach Frankreich und Skandinavien.
Am 27. August 1910 stand Alexandra Kollontai neben Clara Zetkin und der Amerikanerin May Wood Simons in Kopenhagen auf der II. Internationalen Konferenz Sozialistischer Frauen und beschloss mit ihnen zusammen die Einführung des Internationale Frauentags.
Als konsequente Gegnerin des 1. Weltkrieges war sie mit Clara Zetkin auf dem außerordentlichen Sozialistenkongress in Basel und plädierte mit einer glühenden Rede mit für ein Manifest gegen den Krieg.
Den Ausbruch des 1. Weltkrieges erlebte Alexandra Kollontai in Deutschland. Sie wurde als ausländische Feindin in Berlin interniert und durch Vermittlung von Karl Liebknecht nach Dänemark abgeschoben. Von dort aus fungierte sie als Verbindungsglied zwischen dem in Zürich im Exil lebenden Lenin und den Revolutionären in Russland.
1917 kehrte Alexandra Kollontai nach Russland zurück, trat der Partei der Bolschewiki bei – und war die erste Ministerin – weltweit. Ministerin für Volksfürsorge im ersten Kabinett der Sowjetunion. Der US-amerikanische Botschafter in Russland, David Francis, schrieb in einem Brief nach Washington „Eine Frau als Ministerin – einfach widerlich“. Sehr, sehr streitbar legte sie nach Auseinandersetzungen um den Friedensvertrag von Brest ihr Amt nieder.
Nun reiste sie durch das riesige Land um die Frauen für den Arbeiterkampf zu gewinnen. Sie rief die Frauen auf, ihr Leben selbst in die Hand zu nehmen und verwies darauf „Das nicht zuletzt die Männer der Aufklärung bedürfen“. Das gefiel nicht allen Männern. Auch nicht in der Sowjetunion.
Kollontai trat nicht nur für die sozialistische Weltrevolution – sondern auch besonders für die Emanzipation der Frauen ein. Sie entlarvte in ihren Schriften die bürgerliche Ehe als Degradierung der Frau. Sie trat für neue Formen des Zusammenlebens der Geschlechter auf gleichberechtigter Basis und für eine selbstbestimmte Sexualität der Frauen ein. Sie forderte eine neue Moral der Arbeiterklasse in der nicht mehr die Frau den Preis für die Idee der isolierten Kleinfamilie zahlt. Und sie verurteilte die Idee, man könnte einen anderen Menschen „besitzen“. Jeder kann sich denken: Alexandra Kollontai hatte nicht nur Anhänger. Sie wich aber nie von ihrer Meinung ab. Alexandra Kollontai nahm die Forderungen der weltweiten Frauenbewegung sehr lange voraus. Um viele ihrer Forderungen müssen die Frauen weltweit ja noch immer – oder wieder kämpfen. Aber die Idee der Kleinfamilie erwies sich, nicht nur in der Sowjetunion, als langlebiger als sie es vermutete.
Ab 1923 war Alexandra Kollontai Gesandte der Sowjetunion in Norwegen, später in Mexiko. Im Jahr 1943 wurde ihr als erster Frau der Welt der Botschaftertitel verliehen. Bis 1945 war sie Botschafterin in Schweden.
Nach dem, von ihr heiß herbeigesehnten, Ende des Krieges verabschiedete sich Alexandra Kollontai in den Ruhestand. Sie blieb aber offiziell bis zu ihrem Tod kurz vor ihrem 80. Geburtstag im März 1952 Beraterin des Sowjetischen Außenministerium.
Ihr Grab befindet auf dem Moskauer Friedhof des Neujungfrauen-Klosters.
Im März 2022 wäre Alexandra Kollontai 150 Jahre alt geworden. Eine starke, unbeugsame Frau. Eine Kämpferin für die Frauenrechte weltweit und eine Frau die immer unverrückbar für eine sozialistische Welt gestritten und um sie gerungen hat. Auch wenn sie gerade in den Anfängen der Kommunistischen Weltbewegung sehr viele schmerzliche Niederlagen hinnehmen musste. Sie blieb sich immer selbst treu.
Am 14. August 1966 wurde ein von der Astronomin Ljudmilla Tschernych entdeckter Asteroid nach Alexandra Kollontai benannt. Eine schöne Idee: Alexandra Kollontai als strahlender Stern am Firmament.